Männliche Hysteriker
Während des 1. Weltkriegs wurden Militärpsychiater mit einer wachsenden Zahl so genannter Kriegsneurotiker konfrontiert. Unter Kriegsneurotikern, die auch als “Kriegszitterer” bezeichnet wurden, verstand man Menschen, die “im Stahlgewitter” psychiatrisch dekompensiert und kampfunfähig geworden waren.
Sie zeigten Symptome, die man damals als “hysterisch” diagnostizierte. Zu den typischen Beschwerden zählten psychisch bedingte Blindheit und Taubheit, Stummheit bei intaktem Sprechorgan, Lähmungen und Zittern ohne erkennbare körperliche Ursache.
27,7 % der Frontkämpfer wurden während des I. Weltkriegs wegen eines psychiatrischen Zusammenbruchs aus der Kampfzone evakuiert, weitere 16,6 % wurden vorübergehend in psychiatrische Einrichtungen gebracht, schreibt der Historiker Richard A. Gabriel in seinem Buch über die psychiatrische Dimension des modernen Kriegs: The painful field.
Kaufmanns Kur
Die militärische Führung vermutete natürlich, dass ein erheblicher Teil dieser Kranken Simulanten seien. Bei einem anderen Teil jedoch räumte man ein, dass sie ihre Störungen nicht vortäuschten, sondern dass sie tatsächlich unter ihnen litten. Unabhängig voneinander kamen Militärpsychiater in verschiedenen Ländern auf die Idee, diese Menschen in einer hochsuggestiven Atmosphäre durch starke elektrische Ströme zu kurieren.
Die Patienten wurden an den Körperteilen, die ohne physische Ursachen erkrankt waren, äußerst schmerzhaft elektrisiert. Wenn dies nichts half, wurden besonders empfindliche Zielgebiete ausgewählt, wie beispielsweise die Lippen oder die Hoden.
Im Militärjargon hieß diese Behandlung “Kaufmanns Kur” – nach dem deutschen Psychiater Fritz Kaufmann, der 1916 einen wissenschaftlichen Artikel über diese Behandlung in einer medizinischen Zeitschrift veröffentlichte und irrtümlich als ihr Erfinder galt.
In Wirklichkeit wurde die schmerzhafte Elektrotherapie bereits im 19. Jahrhundert praktiziert.
Nach heutigen Maßstäben handelte es sich dabei um eine Form der Folter-Gehirnwäsche. In jenen Tagen aber sah man darin eine durchaus legitime Behandlungsmethode, wenngleich sich auch Opposition bei Ärzten und sogar auf den Führungsebenen der Streitkräfte regte.
In Frankreich wurde diese Methode beispielsweise von Clovis Vincent sowie von Roussy & Lhermitte eingesetzt, in Österreich von Wilhelm Neutra und Wagner-Jauregg, in Deutschland von Fritz Kaufmann, in Großbritannien von Yealland sowie von Hunderten weiterer Ärzte.
Dank ihrer schnörkellosen Präzision und Klarheit ist besonders die Schrift Lewis Yeallands (“The Hysterical Disorders of Warfare”, 1918) zur Lektüre zu empfehlen.
Der kanadische Psychiater behandelte Kriegsneurotiker nach einem beeindruckenden Konzept. Er verband Elektrofolter mit einfachen, unmissverständlichen Suggestionen. Diese Suggestionen waren Variationen eines Grundthemas, das der Psychiater seinen Patienten bereits zu Beginn der Tortur nahelegte: “Die Therapie wird solange fortgesetzt, bis Sie geheilt sind.”
Klartext: “Sie werden solange gefoltert, bis Sie das gewünschte Verhalten zeigen”
Eine ungeschönte Beschreibung
Wilhelm Neutra fühlt sich in seiner Schrift “Seelenmechanik und Hysterie” (1920) genötigt, den Leser durch ausführliche, wenn nicht ausschweifende philosophische und psychologische Betrachtungen auf sein eigentliches Thema hinzuführen. Doch sobald er dann zur Sache kommt, schildert er seine Methode sehr drastisch, unmissverständlich und beinahe lustvoll.
Er lässt keinen Zweifel daran, dass es sich dabei um eine Form der Folter handele und bekennt sich auch dazu. Sie sei leider nur im militärischen Rahmen anwendbar, weil allein hier der notwendige Zwang ausgeübt werden könne; in diesem Rahmen aber feiere sie Triumphe.
Er schreibt:
“Dergestalt sind viele Funktionsstörungen als paradoxe Erfolge der Selbstheilungstendenz zu deuten. Erst wenn der Zustand ein andauernd qualvoller ist und sich nicht als erträglich zu gestalten erweist, dann entschließt sich die Heilbereitschaft, ich möchte beinahe sagen wehmutsvoll, zur Preisgabe der Hysterie. Die Heilbereitschaft wächst mit der Qual.
In der Anwendung der schmerzhaften Pinselfaradisation können wir dies sozusagen experimentell erkennen. Betrachten wir irgendein Beispiel. Ein hysterisch Gelähmter mit kompletter Astasie-Abasie möchte zwar seinem präsidialbewussten Willen entsprechend wieder gesund sein; seine innere Heilbereitschaft sei aber, nehmen wir an, viel zu gering, um durch irgendein Suggestivmittel zur Gesundheit zu führen. Der Kranke wird deshalb der Schmerzbehandlung unterzogen, um seine Qualen zu vermehren, die eben an sich absolut nicht ausreichen, um eine genügende Expansion des Gesundungstriebes zu erzeugen. Seine Beine werden also mit dem faradischen Pinsel bearbeitet. Zunächst liegt der Patient dabei ganz ruhig und außer den durch den elektrischen Strom ausgelösten Muskelzuckungen tritt keine aktive Bewegung in die Erscheinung. Die Heilbereitschaft besteht noch nicht. Würde man in diesem Stadium den Patienten auf die Beine stellen, so wäre er immer noch vollkommen unfähig, auch nur einen Augenblick zu stehen.
Wir verstärken den Strom und damit die Schmerzempfindung. Der Patient zeigt nun mimische Schmerzäußerungen, verzieht das Gesicht und beginnt ev. zu weinen. Gleichzeitig krampft er aktiv irgendwelche Muskeln der Beine zusammen, auch solche, die, nicht vom elektrischen Strome getroffen, sich nicht passiv kontrahieren. Die Heilbereitschaft wird rege und erzeugt immer wieder aktive Beinbewegungen, sobald der Schmerz durch den elektrischen Pinsel einsetzt. Aus der Tiefe der völlig unbewussten Schmerzreaktion taucht die Bewegungsmöglichkeit ins Halbbewusstsein empor. Aber dieser Grad reicht noch immer nicht aus und es wäre verfehlt, es dabei bewenden zu lassen. In diesem Stadium würde das Maximum des Erfolges darin bestehen, dass schon die Angst vor dem neuerlichen Elektrisieren die Beinbewegungen ermöglicht, aber ein Stehen oder sogar Gehen wäre noch vollkommen ausgeschlossen. Um den Erfolg rasch zu komplettieren, wird der Strom neuerdings verstärkt.
Die mimischen Schmerzäußerungen oder das Weinen verwandelt sich in Zorn und Raserei. Der Patient wehrt sich aus Leibeskräften, um sich der Qual zu entziehen. Die Kaltblütigkeit des Arztes, der sine ira zielbewusst weiterarbeitet, und die Handfestigkeit seiner Gehilfen, die dem Patienten die Unzulänglichkeit seiner Fluchtversuche beweist, steigert endlich die Heilbereitschaft bis zu einer solchen Expansion, dass die Steh- und Gehfähigkeit eintritt. Aber noch ist das therapeutische Martyrium gewöhnlich nicht zu Ende. Während früher nur die Befreiung von der Qual erstrebt wurde, ist in diesem Zeitpunkte oft nur die grobe Funktionsstörung gewichen, die volle Heilung jedoch noch nicht erzielt.
Der Patient kann jetzt wohl stehen und gehen, aber sein Gang ist ungelenk, unelastisch, unkoordiniert. Die Heilbereitschaft der Hysterie begnügt sich damit nicht bloß, sondern strebt geradezu nur eine derartige Besserung des Zustandes an, als notwendig ist, um die Lustbilanz aktiv zu machen. Wir müssen uns eben nur daran erinnern, dass die Hysterie psychenergetisch ein Ziel des Lusttriebes und ein Werk der in seinem Dienste stehenden Krankheitsbereitschaft sei. Um nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben, setzt nun der Arzt seine Folterarbeit fort, bis endlich der Lusttrieb, diesmal aber in seiner Verkleidung als Heilbereitschaft sich in die Gesundheit flüchtet, die unter den gegebenen Umständen einzig und allein die Qualfreiheit verbürgt. “
Neutra führte die kriegsbedingte Hysterie auf einen unterbewussten Konflikt zwischen Selbsterhaltungstrieb und Kampfmoral (Patriotismus, soldatische Ehre) zurück. Die hysterischen Symptome stellten also einen Kompromiss dar, seien eine Flucht in die Krankheit, durch die der Erkrankte das Gesicht wahren und gleichermaßen auch strafrechtliche Konsequenzen vermeiden könne. Es handele sich bei der Kriegsneurose nicht um eine Simulation, da der Patient diese Konfliktlösung nicht mit bewusstem Willen anstrebe.
Das Pansen
Während des 2. Weltkriegs entwickelte der Psychiater Friedrich Panse eine verschärfte Form der Elektrobehandlung von Kriegsneurotikern. Er kombinierte sie mit einen ausgeklügelten System von Suggestionen. Sein Verfahren ging unter dem Begriff “Pansen” in die Medizingeschichte ein. Diese Behandlung war so grausam, dass die Führung der Reichswehr sie zunächst nur bei “Freiwilligen” gestattete.
Doch als sich ab 1943 die militärische Situation erheblich verschlechterte, wurde sie auch als Zwangsmaßnahme zugelassen.
Panse war im Übrigen externer Gutachter der Aktion T4, also Mittäter beim Massenmord der Nazis an den so genannten psychisch Kranken während des Dritten Reichs.
Im Nachkriegsdeutschland wurde er zwar vor Gericht gestellt, aber freigeprochen und schließlich sogar wieder Direktor einer Nervenklinik sowie Universitätsprofessor. Er trat 1967 in den Ruhestand und starb 1973.
Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches rückten bekanntlich viele Spezialisten, die durch ihr Verhalten während der Nazizeit belastet waren, wieder in gehobene Positionen auf. Sie wurden gebraucht.
Taktischer Nuklearkrieg
Während des Kalten Krieges sollte eine Invasion sowjetischer Panzer durch den Einsatz taktischer Nuklearwaffen auf deutschem Boden gestoppt werden. Mit anderen Worten: Soldaten des westlichen Bündnisses, also auch deutsche, sollten auf deutschem Boden Atomwaffen zünden, um die Sowjets aufzuhalten. Da hätte es bestimmt das eine oder andere Problem mit der Kampfmoral gegeben.
Dies war den Militärs natürlich bewusst. Der ranghohe General Heinz Trettner schrieb in einem Aufsatz zur Problematik der taktischen Nuklearwaffen in Europa:
“Selbst wenn man so optimistisch ist zu glauben, dass Soldaten so ausgebildet und erzogen werden können, dass sie das Grauen der atomverwüsteten Schlachtfelder unberührt zu durchschreiten und ihre taktischen Aufträge plangemäß auszuführen vermöchten – ich teile diesen Optimismus nicht -, kann doch niemand von der unvorbereiteten und ungeschützten Bevölkerung ähnliches erwarten. Wer einen Atomtest beigewohnt oder Filme von Tierversuchen bei den Atomexplosionen gesehen hat, macht sich da keine Illusionen. Mit einer demoralisierten Bevölkerung und einem zerstörten Land im Rücken kann sich aber auch der beste Soldat in einem modernen Krieg nicht behaupten.” (1)
Offenbar behielten die Optimisten die Oberhand, denn die Strategie des Einsatzes taktischer Nuklearwaffen wurde während des Kalten Kriegs nicht revidiert. War dies ein unbegründeter Optimismus? Immerhin gab es die Militärpsychiatrie mit ihrem breiten Schatz an Erfahrungen. Vielleicht erfahren unsere Urenkel einmal – wenn die Archive geöffnet werden – mit welchen Methoden die Militärpsychiatrie in dieser Frage operierte bzw. zu operieren gedachte. Bis dahin bleibt uns nur die Phantasie.
Beflügelt wird die Phantasie bei der Lektüre alter Zeitungen. Am 11. 12. 1959 hielt der wehrpsychiatrische Berater der Bundeswehr, Prof. Dr. med. Max Mikorey einen Vortrag in der Kienslesbergkaserne in Ulm zum Thema: “Der Mensch in der Paniksituation”.
Die Schwäbische Donau-Zeitung berichtete am 14. 12. 1959, welche Maßnahmen dem Psychiatrieprofessor vorschwebten:
Soldaten sollten so dressiert werden, dass gar keine Panikreaktion eintrete. Ungeschulte Kämpfer besäßen zu viel Selbsterhaltungstrieb. Der ‘innere Schweinehund’ müsse ihnen ausgetrieben werden.
Der Kommandierende General habe, so schrieb die Zeitung, dem Psychiater in einer kleinen Ansprache bescheinigt, dass dessen Ausführungen auch aus militärischer Sicht als fachgerecht anerkannt würden.
Leider wissen wir nicht, welche Methoden Mikorey vorschwebten, um Soldaten den inneren Schweinehund auszutreiben und ihren Selbsterhaltungstrieb zu schwächen.
Wir wissen aber, dass seit Beginn des Kalten Kriegs der US-Geheimdienst CIA sowie das amerikanische Militär Gehirnwäscheforschung betrieben, u. a. mit dem Ziel, Verfahren zu entwickeln, mit denen man Menschen zwingen könne, jeden Befehl auszuführen, und koste er auch das eigene Leben.
Auf Basis von inzwischen freigegebenen CIA-Dokumenten und von Zeugenaussagen lässt sich die Methodik dieser Folter-Gehirnwäsche in etwa wie folgt skizzieren:
Es handelt sich dabei um eine Form der Bewusstseinskontrolle durch Persönlichkeitsspaltung. Sie ist die effektivste Form der Gehirnwäsche, die jemals ersonnen wurde. Ihr Ziel besteht darin, einen Menschen in einen willenlosen Sklaven zu verwandeln, der jeden Befehl ausführt, und koste es auch das eigene Leben.
Im Kern ist diese Methode der mentalen Versklavung eine Kombination zweier Verfahren, die von der Psychiatrie bereits im 19. Jahrhundert entwickelt wurden, nämlich der “suggestiven Elektrotherapie” (Elektrofolter) sowie der Erzeugung einer “Multiplen Persönlichkeitsstörung” durch Hypnose (die häufig durch Drogen eingeleitet und vertieft wird).
Die Gehirnwäscher rufen u. a. durch Hypnose, Drogen und extremen Stress eine künstliche Multiple Persönlichkeitsstörung hervor und unterwerfen die entstehenden Fragmentpersönlichkeiten einem brutalen Drill. Durch Schlüsselreize aktiviert, begehen die mental versklavten Opfer selbst- bzw. fremdschädigende Handlungen, an die sie sich nachher ebenso wenig erinnern können wie an die Täter und die Gehirnwäsche.
Bewusstseinskontrolle durch Persönlichkeitsspaltung wird im englischen Sprachraum als “trauma-based (seltener: torture-based) mind control” bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine Form der Erziehung und Ausbildung, die bedingungslos gehorsame Menschen (“manchurian candidates”) hervorbringen soll. “Bedingungslos” bedeutet, dass diese Menschen jeden Befehl befolgen, sogar wenn dies für sie den sicheren Tod zur Folge hat, und dass ihr Gehorsam nicht von der persönlichen Anwesenheit der Bewusstseinskontrolleure abhängt.
Foltergestützte Bewusstseinskontrolle ist – salopp gesprochen – eine Mischung aus Folterkammer, Kadettenanstalt und Schauspielschule. Die Resultate dieser Erziehung und Ausbildung sind mentale Sklaven” – mental, weil sie nicht in Ketten gelegt und von Sklaventreibern bewacht werden müssen, um im Sinne der Bewusstseinskontrolleure zu funktionieren.
Das übergeordnete Ziel der Bewusstseinskontrolle durch Persönlichkeit besteht darin, einen Menschen so abzurichten, dass er
- sich selbst und andere glauben macht, eine integrale, einheitliche, “normale” Persönlichkeit zu sein
- sich gleichzeitig aber so verhält, als ob mehrere, klar voneinander abgegrenzte, selbständige Persönlichkeiten unter seiner Schädeldecke hausten.
Die Täter verwandeln ihr Opfer also in einen Schauspieler, der sich vollständig mit seinen Rollen identifiziert und der nicht weiß, dass er schauspielert.
In einem demokratischen Rechtsstaat modernen Typs verbieten sich Methoden wie Kaufmanns Kur und das Pansen von selbst. Würden solche Verfahren angewendet, wäre nicht nur ein Sturm öffentlicher Empörung die zwangsläufige Folge, auch die Staatsanwaltschaft müsste sich einschalten.
Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Elsässer, ein Assistent Panses während des Dritten Reichs, die von seinem Chef entwickelte Form der Elektrofolter noch 1961 in einem Handbuch der Psychiatrie beschönigend und verharmlosend rechtfertigte, ohne dass die Fachwelt daran Anstoß nahm (Riedesser & Verderber, 1996, 205).
Denkbar ist jedoch, dass solche Methoden im Geheimen praktiziert werden und dass die Erinnerung der Opfer an die Torturen durch psychiatrische Methoden ausgeschaltet wird.
Einige Menschen in einigen NATO-Staaten behaupten, sie seien Opfer einer derartigen foltergestützten Bewusstseinskontrolle geworden.
Wer fest auf Demokratie und Rechtsstaat vertraut, wird solche Behauptungen allerdings eher als “falsche Erinnerungen” (“False Memory Syndrome”) einstufen. Und wer Verschwörungstheorien liebt, wird das “False Memory Syndrome” als Ideologie betrachten, die der Camouflage für die Produktion mental versklavter, humaner Kriegsroboter während des Kalten Krieges dient.
Anmerkung
(1) Trettner, H.: Zur Problematik der Taktischen Nuklearwaffen in Europa. Militärpolitik 1/1977, S. 70
Weiterführende Literatur
Riedesser, P. & Verderber, A. (1996). “Maschinengewehre hinter der Front”. Zur Geschichte der deutschen Militärpsychiatrie. Frankfurt am Main: Fischer
Siemen, H.-L. (1982). Das Grauen ist vorprogrammiert. Psychiatrie zwischen Faschismus und Atomkrieg. Gießen: Focus
Diese sorgfältig dokumentierten Bücher lassen keinen Zweifel daran, dass die deutsche Wehrpsychiatrie während des 1. und 2. Weltkriegs in großem Stil die so genannten Kriegsneurotiker (heute würde man vom post-traumatischen Belastungssyndrom sprechen) durch brutale Elektrofolter und andere Foltermethoden zu kurieren versuchte.
Mit modernen Varianten dieser Methodik beschäftigt sich folgendes Werk:
Epstein, O. B. et al. (Hrsg.) (2011). Ritual Abuse and Mind Control: The Manipulation of Attachment Needs, London: Karnac Books
Dieses bemerkenswerte Buch dokumentiert die Vorträge einer Konferenz über rituellen Missbrauch und Bewusstseinskontrolle in Großbritannien. Es erschien im britischen Fachverlag “karnacbooks“.
Die Konferenz wurde vom renommierten Bowlby Centre in London veranstaltet.
Eine Leseprobe bietet google books.
Das aus der Feder von Ellen P. Lacter stammende dritte Kapitel dieses Buches gehört zum Besten, was jemals über Mind Control geschrieben wurde.
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Mit der taktisch nuklearen Verteidigung Deutschlands beschäftigen sich beispielsweise:
Trauschweizer, I. W. (2006). Creating Deterrence For Limited War: The U.S. Army And The Defense Of West Germany, 1953-1982, Dissertation
Bald, D. (2008). Politik der Verantwortung. Das Beispiel Helmut Schmidt. Der Primat des Politischen über das Militärische 1965-1975. Mit einem Vorwort von Helmut Schmidt. Berlin: Aufbau Verlag
Nachbemerkung: Differenzierungen im Begriff des Elektroschocks
Man darf die “Elektrotherapien” wie die “Kaufmann-Kur” bzw. das “Pansen” nicht mit der Elektrokrampftherapie verwechseln, obwohl die genannten Verfahren insgesamt salopp auch mit dem Begriff “Elektroschock” angesprochen werden.
Bei der so genannten Elektrokrampftherapie werden Ströme, heute meist unter Betäubung des Patienten, durch das Gehirn gejagt. Demgegenüber werden bei der “Kaufmann-Kur” oder beim “Pansen” absichtlich unterschiedliche Körperstellen mit sehr schmerzhaften Strömen traktiert.
Da die Intensität des Schmerzes hier ausschlaggebend für den “Behandlungserfolg” ist, werden bevorzugt besonders schmerzempfindliche Körperpartien, wie beispielsweise die Genitalien, elektrisiert. Die Schmerzen waren so stark, dass die “Patienten”, also die Folteropfer entweder angeschnallt oder von mehreren starken Männern festgehalten werden mussten, um sie an der Flucht zu hindern.
Demgegenüber gehört der Schmerz nicht zu den Wirkfaktoren der Elektrokrampftherapie, deren Effekt nach heutigem Wissensstand vermutlich weitgehend auf dem Placeboeffekt beruht (siehe: Read, J; Bentall, R (2010 Oct-Dec). “The effectiveness of electroconvulsive therapy: a literature review.”. Epidemiologia e psichiatria sociale 19 (4): 333–47).
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