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Erneut Schizophrenie

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Unlängst schrieb ich:

“Am 15. September 2014 veröffentlichte eine Arbeitsgruppe um Arnedo ein Papier mit einer sensationell anmutenden Erkenntnis. Die Schizophrenie zerfalle in acht separate Erbkrankheiten. Berichte über diese Studie finden sich hier und hier in meinem Tagebuch.”

Am 3. November 2014 ergriff ich die Gelegenheit beim Schopf, einen der weltweit bedeutendsten Experten für die psychiatrische Genetik über diese Studie zu befragen, Jay Joseph. Der amerikanische Psychologie hatte soeben einen Beitrag zum Stand der Forschung im Blog “Mad in America” veröffentlicht und ich nutzte die Kommentarfunktion, um sein Urteil über die Arnedo-Studie zu erkunden. Joseph antwortete:

“Hallo. Wie bei allen Studien seit den sechziger Jahren, ist es unwahrscheinlich, dass diese sich reproduzieren lässt. Ein zusätzlicher Gesichtspunkt ist, dass in dem unwahrscheinlichen Fall einer Bestätigung der Resultate, dies so aussehen würde, als ob damit jede Studie, die ein einheitliches Konzept der ‘Schizophrenie’ benutzte, gegenstandslos wäre, weil was zuvor als eine Störung gesehen wurde, tatsächlich acht verschiedene Störungen wäre.

Was C. Robert Cloninger betrifft, so trat er schon zuvor mit nicht replizierten Gen-Entdeckungs-Behauptungen in Sachen ‘Schizophrenie’ hervor. Zum beispiel publizierte er 2002 einen Artikel in der führenden wissenschaftlichen Zeitschrift PNAS, in dem er, auf Basis von drei damals soeben veröffentlichten Studien, behauptete: “Zum ersten Mal wurden spezifische Gene entdeckt, die die Empfänglichkeit für Schizophrenie beeinflussen.”  (siehe: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC129675/ )”

Lustig. Cloninger straft sich selber Lügen. Wie können Schizophrenie-Gene entdeckt worden sein, wenn es die Schizophrenie gar nicht gibt?

Bezeichnenderweise hat noch kein namhafter Psychiater nach dieser Beute geschnappt, obwohl die Studie Arnedos und seiner Mitarbeiter die Psychiatrie revolutionieren würde, wenn sie wahr wäre. Erstmalig gäbe es eine solide genetische Basis, zwar nicht für die Schizophrenie, wohl aber für einige Cluster von Symptomen und Schweregraden aus diesem hypothetischen “Syndrom”.

Die Geschichte könnte aber auch ins Auge gehen. Angeblich werden in einschlägigen Kreisen bereits Wetten abgeschlossen, ob Arnedo et al. ihre Studie wegen methodischer Mängel zurückziehen müssen.

Es mag sein, dass man mit “Data Mining” und “Machine Learning” jede der so genannten psychischen Krankheiten pulverisieren könnte, wenn man sie “kreativ” anwendet und sich von ehemals heiligen methodisch-methodologischen Grundsätzen des Testens statistischer Hypothesen nicht verwirren lässt. Einen Gedanken Josephs aufgreifend, könnte man dann wohl sagen, dass dies die gesamte bisherige psychiatrische Forschung entwerten würde. Man hätte dann zwar die “genetische Grundlage” für tausend Splitter, aber keine der angeblichen Erkenntnisse zu “psychischen Krankheiten” würde mehr dazu passen.

So weit wird es vermutlich nicht kommen. Die Zunft wird ihr Kartenhaus mit Klauen und Zähnen verteidigen – selbst gegen Leute aus den eigenen Reihen, die es zu gut meinen und übers Ziel hinausschießen.

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