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Scientology

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Als radikaler Psychiatriekritiker werde ich gelegentlich gefragt: “Herr Gresch, was halten Sie eigentlich von Scientology.” Da Scientology die Psychiatrie kritisiert und da ich ebenfalls die Psychiatrie kritisiere, liegt es für manche, die im logischen Denken noch nicht allzu sehr geübt sind, natürlich nahe, zumindest eine gewisse Affinität zwischen mir und dieser Organisation zu vermuten.

Auf der deutschen Website von Scientology heißt es:

“Scientology umfasst Wissen, das von bestimmten grundlegenden Wahrheiten ausgeht. Vorrangig sind die folgenden:
Der Mensch ist ein unsterbliches geistiges Wesen.
Seine Erfahrung geht weit über ein einziges Leben hinaus.
Seine Fähigkeiten sind unbegrenzt, auch wenn er sie gegenwärtig nicht verwirklicht.
Des Weiteren glaubt Scientology, dass der Mensch im Grunde gut ist und dass seine Erlösung von ihm selbst und seinen Mitmenschen abhängt und davon, dass er ein brüderliches Verhältnis mit dem Universum erreicht.”

Für mich ist der Mensch kein unsterbliches Wesen. Seine Erfahrung ist auf sein einziges und einmaliges Leben beschränkt. Seine Fähigkeiten sind begrenzt (leider oftmals allzu sehr). Überdies glaube ich, dass der Mensch im Grunde weder gut, noch böse ist, sondern von seiner Umwelt und auch von seinen Erbanlagen geneigt gestimmt werden kann, Gutes oder Böses zu tun. Für unmöglich, ja für unsinnig halte ich es, ein brüderliches Verhältnis mit dem Universum anzustreben.

Hier sieht man also, dass meine persönliche Weltanschauung der Glaubenslehre von Scientology entgegengesetzt, ja, durchaus fundamental entgegengesetzt ist. Ich bin Materialist und ich habe mit Religionen gleich welcher Art nichts am Hut.

Scientology scheint mit einer “Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e. V.” verbunden zu sein. Zu deren Mitbegründern zählt der von mir sehr geschätzte, vor kurzem verstorbene Psychiatriekritiker Thomas Szasz. Da ich mir als Anarchist von Parteien, Kirchen, Sekten, weltanschaulichen Vereinigungen und politischen Bündnissen nicht allzu viel verspreche, bin ich weder Mitglied, noch Unterstützer dieser oder irgendeiner anderen psychiatriekritischen Vereinigung. Ich wende mich mit meinen Botschaften an Personen, an Individuen, an Gemeinschaften von Einzelnen (Familien im direkten und im übertragenen Sinn), nicht an fiktive Massen.

Meine Einstellung beinhaltet keine grundsätzlich negative Bewertung von Scientology oder dieser Kommission. Andere mögen dort ihren Lebenssinn finden; ich gehöre nicht dazu. Als Libertärer bin ich nicht nur bereit, ich bin bei Strafe des Selbstwiderspruchs dazu gezwungen, die weltanschaulichen Bindungen anderer Menschen zu achten (auch wenn mir dies fallweise schwerfällt).

Mir ist bewusst, dass mich diese Stellungnahme nicht davor bewahren wird, von interessierten Kreisen in die Scientology-Ecke gestellt zu werden. Schließlich ist es ja auch wirklich zu bequem, Psychiatriekritiker in dieser Weise zu verunglimpfen. Die Mühe des sachlichen Arguments kann man sich dann ersparen. Und man läuft auch nicht Gefahr, dass irgendwer eine inhaltliche Replik auf meine Thesen nicht (so) versteht (wie sie gemeint war).

Wenn Scientology durch einen Zauber von der Bildfläche verschwände, als hätte es diese Gruppe nie gegeben, dann würde dies an meiner Psychiatriekritik nichts ändern, denn diese beruht im Kern auf empirischen Studien, die an anerkannten Universitäten und seriösen Forschungsinstitutionen verwirklicht wurden. Von Glaubenslehren halte ich mich fern. Dies bedeutet natürlich auch, dass meine Thesen durchaus durch methodisch saubere, replizierbare Forschungen teilweise oder vollständig über den Haufen geworfen werden können. Schon allein deswegen prallen persönliche Angriffe und Unterstellungen an mir ab. Die Angemessenheit meiner Thesen ist unabhängig von meinen persönlichen Merkmalen. Ihr Prüfstein ist die empirische Wissenschaft, nicht Scientology.

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