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Sprache

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Manche fragen mich, warum ich, obwohl ich es als Psychologe doch besser wissen müsste, wenn ich selbst simple Sachverhalte zu beschreiben trachte, mich stets einer gewundenen, verschachtelte Sprache befleißige, obwohl inzwischen sogar experimentell erwiesen und unbestritten sei, dass einfache, klare Hauptsätze, die allenfalls durch einen kurzen Nebensatz ergänzt würden, viel glaubwürdiger wirkten als Sätze der Art, wie ich sie in der Pflasterritzenflora bevorzugt zu präsentieren geruhte.

Die Antwort ist, und es wird Sie vielleicht überraschen, dies von mir zu hören, vielleicht aber auch nicht, denn Sie haben ja schon manch Seltsames von mir zu lesen bekommen – da ich jetzt den Faden verloren habe, erlaube ich mir, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, noch einmal anzusetzen: Meine Antwort darauf lautet, dass ich nicht das allergeringste Interesse daran habe, durch eine gefällige Verpackung meiner Gedanken glaubwürdig zu erscheinen.

Der Leser soll Mühe haben, mich zu verstehen. Er muss mich ja nicht lesen, wenn er die Anstrengung scheut. Er soll mich nicht für glaubwürdig halten. Vielmehr will ich ihn provozieren, meine Gedanken in Frage zu stellen. Meine Wahrheit soll nicht eingängig sein; sie soll dem Leser quer im Maul und schwer verdaulich im Magen liegen. Gäbe ich mir Mühe, dann könnte ich auch Texte mit Sätzen so kurz wie in den Artikeln der Bildzeitung schreiben. Ich bin aber weder Missionar, noch Politiker und ich habe auch nichts zu verkaufen. Zudem liegt mir nichts daran, die Massen zu bekehren, sondern ich suche, in einer Minderheit von Individuen, Leser, die gewundene Sätze nicht scheuen, wenn sie der Verdacht beschleicht, es könnte sich Wahrheit in ihnen verbergen.

Aus diesem Grunde verwende ich auch gerne Fachbegriffe und hier bevorzugt solche, die selbst in den einschlägigen wissenschaftlichen Disziplinen kaum (noch) gebraucht werden, weil sie veraltet sind oder ohnehin nie eine große Verbreitung gefunden haben. Mitunter erfinde ich solche Termini auch und wundere mich darüber, dass sie niemand in den Kommentaren zum Text in Frage stellt. Oft zitiere ich aus dem Englischen in der Hoffnung, dass meine Leser diese Sprache nicht so gut beherrschen und sich mit der Übersetzung quälen müssen.

Wenn Sie Webseiten der Psychiatrie und der Pharma-Wirtschaft besuchen, dann werden Sie oft feststellen, dass hier Marketingfirmen und Werbetexter nach allen Regeln der Kunst versuchen, Ihnen ihre Botschaften nahezubringen. Dort finden Sie Entspannung, wohlige Leichtigkeit umfängt Sie und mühelos verstehen Sie, was man Ihnen sagen möchte. Warum also sollten Sie sich mühsam den Weg zum Verständnis durch die Pflasterritzenflora bahnen, wenn Ihnen doch anderswo die Feigen in den Schoß und die gebratenen Tauben in den Mund fliegen?

Was hat Ihnen die Pflasterritzenflora denn schon zu bieten? Wenn Sie sich durch diesen Wust gewühlt haben, finden Sie, sofern Sie überhaupt etwas verstehen, Kritik, Kritik und sonst nichts als Kritik. Wo bleibt die Unterhaltung? Wo die Lebensbejahung, trotz alledem? Man muss doch auch das Positive sehen. Wer will sich denn schon den Blick durch überzogene Kritik verdüstern lassen? Wer immer nur Negatives erwartet, der wird das Schöne gar nicht mehr wahrnehmen. Weg damit. Im Netz gibt es wirklich bessere Angebote. Die den Menschen aufrichten. Die ihn nicht niedermachen wie die Pflasterritzenflora.

Denken Sie auch daran, wie viel Negatives man über den Autor lesen muss. Ist von einem solchen Menschen Erbauliches zu erwarten? Oder gar die Wahrheit? Ist die Wahrheit nicht eine Schwester des Guten und Schönen. Gutes und Schönes finden Sie in der Pflasterritzenflora mit Sicherheit nicht. Allein schon der Name! Unkraut, Unkraut, nichts als Unkraut. Vergleichen Sie damit den Zierrat und Zauber psychiatrischer Angebote im Internet. Und dann erst die Seiten der Pharmaindustrie… lächelnde Gesichter, blauer Himmel, bunte Pillen. Welche Augenweide.

Manche meinen, dass man, auch wenn man die von mir mitgeteilten Informationen nicht in Bausch und Bogen verwerfen wolle, mit solchen Gedanken und Erwägungen die eigentliche Zielgruppe, nämlich die psychisch Kranken oder von psychischer Krankheit bedrohten Menschen eindeutig überfordere und ihnen deshalb nicht helfe, sondern sie sogar womöglich gefährde. Schließlich bestünde die Aufgabe einschlägiger Angebote im Internet darin, betroffene Menschen vom Lesen der Beipackzettel ihrer Medikamente, in denen die Risiken und Nebenwirkungen benannt werden, abzuhalten und nicht etwa darin, sie dazu zu ermutigen, ihnen gar anzuraten, sich darüber hinaus mit kritischen Informationen zu versorgen.

Zum Glück muss ich mich mit all diesen Erwägungen nicht herumschlagen. Denn ich habe nichts zu verkaufen. Weder produziere ich Propaganda gegen die Psychiatrie, noch für ihre Gegner. Aber, keine Regel ohne Ausnahme: Auch ich treibe Werbung in der Pflasterritzenflora, nämlich für die Soul&BodyTools nach Dr. Pinta.

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