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Mind Control im Kalten Krieg

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Seitdem der französische Psychiater Jean-Martin Charcot, der weltweit erste Inhaber eines psychiatrischen Lehrstuhls, die Hypnose als Mittel der Forschung und Psychotherapie wissenschaftlich und gesellschaftlich hoffähig gemacht hatte, beflügelte die Vorstellung, ein Hypnotiseur könne Menschen in willenlose Sklaven verwandeln, die Fantasie von Literaten und später auch von Filmemachern.

Der Roman “Trilby” des britischen Schriftstellers George du Maurier, der sich mit dieser Thematik beschäftigt, wurde nach seinem Erscheinen 1894 zu einem der erfolgreichsten Bestseller dieses Jahrhunderts.

Angesichts der Probleme, die Geheimdienstler und Militärs zu lösen haben, ist es nicht erstaunlich, dass auch diese Leute sich für die angeblich so staunenswerte Macht der Hypnose interessierten. Nur wenige Jahre nach seiner Gründung im Jahre 1947 startete der amerikanische Geheimdienst CIA aufwändige Forschungsprojekte zur Kontrolle des menschlichen Bewusstseins, in denen die Hypnose eine zentrale Rolle spielte.

Namhafte Psychiater und andere Wissenschaftler aus einschlägigen Disziplinen unterstützten die Agency bei ihrem Plan, die Methoden zur hypnotischen Versklavung von entsprechend empfänglichen Menschen zu perfektionieren. Schon bald aber musste man sich resigniert eingestehen, dass die Macht der Hypnose nicht so groß ist, wie Romane im Stil von Trilby oder Filme nach Art des “Dr. Mabuse” suggerierten.

Wir wissen dies aus einst streng geheimen Dokumenten, die der CIA von investigativen Journalisten, die sich auf das amerikanische Informationsfreiheitsgesetz beriefen, abgerungen wurden. Diese Dokumente sind allerdings unvollständig; viele wurden von der Zensur, teils heftig, geschwärzt; andere wurden bereits zuvor dem Reißwolf anheimgegeben. Auch die amerikanische Armee experimentierte mit Methoden zur Bewusstseinskontrolle (Mind Control), aber in diesem Bereich ist die Aktenlage noch dünner.

Wenn die beteiligten Wissenschaftler damals jedoch gewusst hätten, was recht eigentlich so alles in ihren Lehrbüchern zu diesem Thema stand, dann wären sie vermutlich auf die Idee gekommen, die Hypnose mit anderen, brutaleren Verfahren mentaler Beeinflussung zu kombinieren und mit der Bewusstseinskontrolle (Mind Control) bereits in früher Kindheit zu beginnen.

Nun wissen wir nicht, ob diese Wissenschaftler überhaupt lesen konnten, geschweige denn, ob sich in diesem Fall ihr Interesse hinlänglich auf die Schriften des eigenen Faches konzentrierte. Falls dies so gewesen sein sollte und falls sie zudem in der Lage waren, 1 und 1 zusammenzuzählen, dann hätten sie bestimmt auch ein Verfahren entwickelt, das verschiedene Ansätze sinnvoll miteinander verbindet und das die mentale Versklavung von Menschen reibungslos ermöglicht.

Dazu freilich gibt es keine (freigegebenen) Akten, was die Fantasie entsprechend disponierter Menschen natürlich heftig anregt oder gar anheizt.

Und so habe ich dem inneren Drange schlussendlich nachgegeben und einen Was-wäre-wenn-Roman” geschrieben, in dem minutiös geschildert wird, was diese CIA- und Armee-Wissenschaftler kreiert hätten, wenn sie des Lesens kundig und zum Rechnen fähig gewesen wären, was man natürlich so genau nicht wissen kann.

Hier ist eine Leseprobe aus diesem Roman (“Ein Mann mit acht Augen“). Zum besseren Verständnis sei hinzugefügt, dass unser Held, Martin Nottick, zuvor mit den Mittel der Hypnose und der Folter (Mind Control) gezielt in eine multiple Persönlichkeit verwandelt wurde.

Er ist zum Zeitpunkt der folgenden Ereignisse ein elfjähriges Kind und die Namen “Robert”, “Martin” und “Peter Munk” beziehen sich auf ein- und dieselbe Person. Es handelt sich um Alter Egos (Fragment-Persönlichkeiten) eines multiplen Persönlichkeitssystems.

“In den folgenden Monaten musste Robert an drei weiteren Manövern dieser Art teilnehmen. Häufig wurde er gefoltert. Wenn er den Anweisungen nicht minutiös entsprach, erhielt er Stromstöße mit dem Elektroschocker. Mitunter wurde er aber auch geschockt, obwohl er sich sklavisch und buchstabengetreu an einen Befehl gehalten hatte. In diesen Fällen erforderte die Situation eine flexible Auslegung des Befehls oder zusätzliche Handlungen, die im Befehl nicht enthalten waren. Die geistigen Anforderungen lagen deutlich über der durchschnittlichen Leistungsfähigkeit eines Kindes in seinem Alter. 

Die Janus-Leute hatten einen Panzer in einem Waldstück versteckt, so dass ihn Robert von seiner Position aus nicht sehen konnte. Wenn Martin die Bombenattrappe zünden sollte, rollte der Panzer auf einen Feldweg ins Blickfeld des Jungen. Mitunter stand die Armatur der Bombe unter Spannung, so dass Funken sprühten, wenn Roberts Finger sich dem roten Knopf auch nur auf Handbreite näherte. Kam er noch näher heran, erhielt er qualvolle Stromschläge. Doch Robert musste die Zähne zusammenbeißen und dennoch den Knopf drücken. Sonst erwartete ihn die Folter mit dem Elektroschocker, die erheblich schmerzhafter war als die Stromschläge, die von der Bombe ausgingen. 

FolterhoseWährend einer dieser Übungen trug Martin unter seiner Jeans eine lederne Unterhose. In dieser Unterhose führte ein Kabel mit einer Elektrode in seine Harnröhre. Die gesamte Foltervorrichtung war durch Gurte fixiert und verschlossen, so dass Robert sie nicht entfernen konnte. Eine Zeitschaltuhr löste regelmäßige Stromstöße aus. Dies sollte verhindern, dass er einschlief, denn die Übung dauerte viele Stunden. Der Strom für die Folterung stammte in der Regel aus einer Batterie, die an seinem Gürtel befestigt war. Eines Tages jedoch, als Robert bereits ein beinahe perfekter Zündmechanismus für atomare Munition geworden war, sagten ihm die Janus-Soldaten im Morgengrauen mit sehr besorgten Gesichtern, diesmal handele es sich nicht um ein Manöver, sondern um den Ernstfall. Man müsse jederzeit mit einer Attacke der Sowjetunion rechnen. Nun wurde Robert wie ein Nutztier am linken Bein mit einer langen Kette an einem eisernen Ring angebunden, der in einer Wand der Bombenkammer verankert war. Ein Janus-Agent sagte ihm, die Kette diene vor allem seinem Schutz, da sie zuverlässig Fluchtversuche verhindere, die umgehend mit standrechtlicher Erschießung geahndet würden.

Robert sollte sich an diese Kette gewöhnen. Allein auf die unsichtbaren Ketten, die durch die Folterdressur geschmiedet worden waren, wollte sich das Janus-System  im Ernstfall nicht verlassen. Durch die Glieder der eisernen Kette führte ein Kabel, zur Stromversorgung der Folter-Elektroden, die sich jetzt nicht nur an seinem Penis, sondern auch an seinem Fußgelenk befanden. Die Ummantelung des Kabels schimmerte blau wie Blei. Zunächst waren die Stromstöße nur kurz und schwach, doch nach einiger Zeit wurden sie immer länger und schmerzhafter. Schließlich folterte man ihn ununterbrochen, jedoch mit etwas schwächeren Strömen, so dass die Schmerzen gerade noch erträglich waren und zielgerichtetes Verhalten zuließen. Die Männer hatten ihm, bevor sie verschwanden, erklärt, dies sei das Signal dafür, dass ein Angriff der kommunistischen Panzer unmittelbar bevorstehe. Der Stromfluss würde in diesem Fall erst wieder unterbrochen, wenn er nach dem Erscheinen der Tanks weisungsgemäß den Knopf an der Bombe gedrückt habe. Er würde dann aus seiner Lage befreit und dürfe heim. Wenn Robert seinen Anweisungen gehorchte und den Knopf drückte, sobald er einen Panzer heranrollen sah, so wurde er umgehend mit einem in Chloroform getränkten Tuch betäubt – und zwar von einem Janus-Agenten, der sich stets in seiner Nähe aufhielt. Robert konnte diesen Mann jedoch aufgrund einer hypnotisch erzeugten partiellen Blindheit nicht wahrnehmen. 

Die Versuchung

Während einer dieser Übungen, bei der Robert nicht angekettet war, wurde er von einem Wanderer angesprochen. Dessen prächtiger Gamsbarthut faszinierte den Jungen und machten ihn neugierig, so dass er dem Fremden nicht so kurz angebunden begegnete, wie man Peter Munk aufgetragen hatte. Der Mann trug eine lederne Kniebundhose, einen saloppen Janker, massive Wanderschuhe und hatte ein zünftiges Fahrtenmesser am Gürtel. Was er denn hier so treibe, wollte der Wanderer wissen. Robert sagte, dass er den Fischen im Bach zuschaue. Man lerne durch Naturbeobachtung am meisten, viel mehr als aus Büchern. Das meine sogar seine Lehrerin, obwohl sie den Kindern immer wieder sage, sie sollten öfter in ihre Bücher schauen. Die Fische seien Stichlinge. Er habe schon viel über sie gelesen, aber das allein reiche eben nicht, um sie wirklich kennen zu lernen. Er blickte den Wanderer leutselig an und nicht der zarteste Anflug eines abmildernden Lächelns deutete darauf hin, dass ihm bewusst war, an einem Manöver teilzunehmen.

Der Wanderer sagte: „Ich weiß genau, warum du tatsächlich hier bist. Mir ist es eigentlich streng untersagt, mich mit dir zu unterhalten. Aber jetzt ist es sinnlos geworden, Befehlen zu gehorchen. Rette sich wer kann! Du darfst den Männern nicht trauen, die dir den Befehl gegeben haben, den Zeitzünder auszulösen. Wenn du auf den Knopf drückst, dann fliegst du sofort selbst mit in die Luft. Das hier ist nämlich gar kein Manöver; die sowjetischen Panzer rücken bereits an. Die Bombe ist auch keine Attrappe, sondern eine echte Atombombe. Dich wollen sie opfern, und mich, uns alle, das halbe Volk. Glaube mir, ich bin Soldat einer Spezialeinheit, die Kinder wie dich als menschliche Zünder benutzt. Doch das hat jetzt alles keinen Zweck mehr. Die sowjetischen Panzer kommen sowieso durch, es sind zu viele. Sie sind überall. Von der Küste bis zu den Alpen überschreiten sie gerade die Grenze. Komm, hau’ mit mir ab, bevor es zu spät ist. Wir müssen uns möglichst weit in Richtung Westen durchschlagen. Wir versuchen es per Anhalter. Vielleicht haben wir ja großes Glück und jemand, der noch Platz im Wagen hat, nimmt uns mit.“

Peter Munk war zuvor programmiert worden, Robert zu veranlassen, dieser Verführung nachzugeben. Der Trommlerjunge, dem die entsprechende Programmierung Peter Munks natürlich nicht bewusst war, sondern der nur eine verführerische innere Stimme hörte, verließ seine Stellung und lief dem Mann hinterher. Der Janus-Agent hängte ihn allerdings rasch ab und schlug sich in die Büsche. Robert wurde nach einigen hundert Metern von drakonischen Verstärkern aufgegriffen und erbarmungslos gefoltert.”

Dieses Buch schildert nicht nur den Ablauf einer mentalen Versklavung (“trauma-based mind control”) von der frühesten Kindheit bis ins Erwachsenenalter, sondern analysiert auch die mutmaßlichen militärischen, politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Hintergründe derartiger Projekte.

Selbstverständlich handelt es sich hier nicht um einen Tatsachenbericht. Auf der Titelseite steht schließlich “Roman” und wo “Roman” draufsteht, da ist auch “Roman” drin. Es ist wichtig, diese Unterscheidung bei der Lektüre stets im Hinterkopf zu behalten, weil der Autor ansonsten keine Garantie für die werte Nachruhe des geschätzten Lesers zu übernehmen vermag.

Wir leben schließlich seit dem Untergang des Nazi-Reichs in einem lupenreinen, freiheitlich demokratischen Rechtsstaat. Vorgänge der Art, die der Roman “Ein Mann mit acht Augen” schildert, wären in einem solchen Staat nicht einmal im Traum möglich gewesen.

Diese selbstverständlich frei erfundene Geschichte beruht allerdings auf Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnissen aus den Gebieten der Psychologie, Psychiatrie und den Neuro-Wissenschaften. Die geschilderte Methodik der Bewusstseinskontrolle durch Persönlichkeitsspaltung (trauma-based mind control) wäre durchaus effektiv, wenn Menschen monströs genug wären, sie anzuwenden.

Es handelt sich bei dieser Story also um einen Sachbuchroman. Er ist gleichsam das narrative Gegenstück zum meinem Sachbuch über “trauma-based mind control” (“Hypnose, Bewusstseinskontrolle, Manipulation“). Ein Motiv, diesen Roman zu schreiben, bestand auch darin, die Verständnislücken zu schließen, die das Sachbuch bei den meisten Lesern vermutlich unweigerlich zurücklässt. Dieser Sachbuchroman beschreibt minutiös, was möglich ist, wenn man seit rund 150 Jahren vorhandenes Wissen skrupellos anwendet.

PS: Frühere Versionen dieses Romans, die unter den Titeln “Janus-System”, “Ein Sklave der Freiheit” bzw. “Der Zünder” im Netz kursierten, sind nicht mit “Ein Mann mit acht Augen” identisch. Es handelt sich hier um eine radikal überarbeitete und gestraffte Fassung, also um die finale Version. Weitere Änderungen wird es nicht mehr geben. Wenn sich die Geschichte tatsächlich ereignet hätte, dann könnte ich nun sagen: Ja, bei bestem Wissen und Gewissen, so war es!”

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