Der “Spiegelfechter” brachte unlängst ein Stück über Julia Bonk. Dort heißt es über mich:
Was steckt nun aber wirklich hinter der Zwangseinweisung? Eine Verschwörung gegen eine kritische Politikerin, die in der „Klappse“ mundtot gemacht werden soll? Oder die Sorge um einen Menschen, der unter starken psychischen Problemen leidet? Dass es Julia Bonk in letzter Zeit nicht gut ging, scheint unbestreitbar. Doch war ihr Zustand so schlecht, dass sie ihre Arbeit nicht mehr machen konnte? Und warum sagt sie selbst nichts? Auf der Seite „Pflasterritzenflora“ schreibt der Betreiber Dr. Hans Ulrich Gresch: „Selbstverständlich muss die Privatsphäre Julia Bonks geschützt werden. Aber sie ist nicht nur Privatperson, sondern sie ist eine demokratisch gewählte Abgeordnete des Sächsischen Landtags. Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, warum sie an der Ausübung ihres Mandats gehindert wird und wie lange dieser Zustand voraussichtlich noch andauern soll.“
Der sogenannte „Genesungsprozess“ ist für Gresch nur ein Vorwand, in Wirklichkeit gehe es darum, Bonks „Leben zu ruinieren“. Auch die Linkspartei bekommt ihr Fett weg. Sie erwecke, so ist nachzulesen, „seit geraumer Zeit den Eindruck, sie mache sich für die Aufhebung psychiatrischer Sondergesetze stark. Da macht es sich wohl nicht so gut, dass nun ausgerechnet ein hochrangiges Mitglied dieser Partei Opfer dieser Sondergesetze geworden zu sein scheint.“ Um den Schutz Bonks gehe es der Linken wohl nicht, der sei Bonks “Genossen egal – oder warum verbarrikadieren sie sich hinter dem ‘Genesungsprozess’?“
Was ich am 14. Oktober 2013 u. a. schrieb:
Meines Wissens wurde noch nie ein Abgeordneter oder eine Abgeordnete des Bundestages oder der Landtage gegen seinen oder ihren Willen hinter psychiatrischen Gittern eingekerkert. Es ist also durchaus wahrscheinlich, dass die Verantwortlichen in diesem Fall auf einen derartigen Vorgang nicht vorbereitet waren. Vielleicht hat sie ein Gefühl der Hilflosigkeit beschlichen. Es könnte durchaus sein, dass sie den “Genesungsprozess” nicht zum Schutz der Abgeordneten, sondern aus Eigeninteresse vorbringen.
Man verschanzt sich hinter dem “Genesungsprozess”, um dort ungestört um Sprachregelungen zu ringen. Schließlich erweckt die Partei “Die Linke” seit geraumer Zeit den Eindruck, sie mache sich für die Aufhebung psychiatrischer Sondergesetze stark. Da macht es sich wohl nicht so gut, dass nun ausgerechnet ein hochrangiges Mitglied dieser Partei Opfer dieser Sondergesetze geworden zu sein scheint. Und wie verhält sich die Linke? Der Fraktionschef im Sächsischen Landtag bittet die Presse um “Zurückhaltung”.
Man mag einwenden, dass man den Ärzten eben vertrauen müsse. Regelmäßige Zeitungslektüre macht uns dieses Vertrauen nicht leicht – dies gilt für die Medizin allgemein, nicht nur für die Psychiatrie. Um die Linke nicht in Verlegenheit zu bringen, traut man sich ja kaum, an dieser Stelle mit dem berühmten Lenin-Zitat aufzuwarten: “Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!” Eine wichtige, im Grunde die entscheidende Funktion öffentlicher Kontrolle erfüllen die Medien. In Sachen Julia Bonk versagen sie; man hält sich zurück.
Derweil dampft und zischt es in der Gerüchteküche. Die Zurückhaltung dient nicht etwa dieser Abgeordneten, sondern sie trägt aus meiner Sicht dazu bei, ihr Leben zu ruinieren. Ist dies ihren Genossen egal – oder warum verbarrikadieren sie sich hinter dem “Genesungsprozess”? Mir ist so manches Gebräu aus der Gerüchteküche vorgesetzt worden, aber hier halte selbst ich mich zurück. Was not tut: Nicht subjektive Meinungen, Einschätzungen, Verunglimpfungen, sondern Tatsachen, Nachprüfbares.
Hier behaupte ich als keineswegs, dass der “Genesungsprozess” nur ein Vorwand sei, und dass es in Wirklichkeit darum gehe, das Leben der Abgeordneten zu ruinieren. Sondern vielmehr betone ich, dass Zurückhaltung angesichts der Gerüchteküche dazu beiträgt, ihr Leben zu ruinieren und ich frage, ob dies den Genossen egal sei. Dies ist etwas anderes, als der Autor des Spiegelfechters suggeriert.
Der Spiegelfechter schreibt weiterhin:
Auf Greschs Seite steht:
„DIE ERSTEN FRAGEN eines jeden Menschen müssen sich um das Wohlergehen und um die Freiheit von Julia Bonk kümmern.
ERST DANN die politischen Fragen: Wer hat einen Nutzen, wenn Julia hinter den Gittern eines psychiatrischen Gefängnis sitzt? Woran hat sie gearbeitet? Welchen Zugang hatte sie zu geheimen Dokumenten? Auf welchen Ebenen der Republik wurde sie eventuell gefährlich? Hat sie Dinge erfahren, die das Zusammenspiel von diesem Land und die USA betreffen?“
Hier könnte der Eindruck entstehen, dass obiges Zitat von mir stamme. Dies ist aber keineswegs der Fall. Derartige Fragen stelle ich mir nicht. Vielmehr wurden sie in einem Kommentar zu meinem Text gestellt. Dies vergisst der Autor des Spiegelfechter-Artikels leider zu erwähnen. Er fährt fort:
Schöne Worte, aber das Wohlergehen scheint hier eben nicht im Vordergrund zu stehen. Wäre dem so, würde man sich so lange in Zurückhaltung üben, bis konkrete Informationen bekannt geworden sind.
Das ist wirklich grotesk: Der Spiegelfechter ist es doch, der keine Zurückhaltung übt und einen spekulierenden Artikel über Julia Bonk ins Netz stellt. Wer im Glashaus sitzt… In meinen Augen ist all dies wahrlich keine journalistische Glanzleistung des Spiegelfechters.
Er fragt:
Vielleicht – und das wäre ein zum wiederholten Male ungeheuerliches Unrecht – ist Julia Bonk wegen ihrer kritischen politischen Einstellungen und Aktivitäten zwangseingewiesen worden.
Vielleicht aber auch, weil sie Hilfe braucht. Und vor einer Öffentlichkeit, die ihren Heilungsprozess behindern oder gar verhindern würde, geschützt werden soll. Vor einer Öffentlichkeit, die wertet, bewertet, urteilt, verurteilt, einer Öffentlichkeit, die sich ihr Bild von Julia Bonk selbst macht. und unter Umständen kräftig daneben liegt.
Ja, vielleicht. Ich schrieb dazu:
Dass aber Menschen aufgrund einer Fehldiagnose in solchen Kliniken einsitzen, ist keineswegs eine Ausnahme, sondern die Regel. Zu dieser Einschätzung wird man unabhängig davon gelangen, ob man an das Konstrukt der “psychischen Krankheit” glaubt oder nicht.
Denn die psychiatrische Diagnostik und Prognostik sind erwiesenermaßen nicht valide. Das heißt: Es gibt keine objektiven Methoden, “psychische Krankheit” und Gefährlichkeit bzw. Suizidalität festzustellen. Nicht valide diagnostische und prognostische Verfahren führen aber zwangsläufig zu einer sehr großen Zahl falsch positiver und falsch negativer Einstufungen.
Hier sieht man, um was es mir in dem Artikel wirklich geht: nicht um Verschwörungstheorien, sondern allein um die Frage, ob die Abgeordnete wider Willen in einer psychiatrischen Anstalt sitzt. Denn dies halte ich in keinem Fall für gerechtfertigt, ganz gleich, um wen es sich handelt und welche Prognose oder Diagnose ihm gegeben wurde.
Inzwischen wurde auf der Website der Deutschen Direkthilfe eine Nachricht von Johannes Bonk verbreitet, in der es heißt:
“Liebe deutsche Direkthilfe,
Danke an Euch für den Kontakt und die Fürsorge.
Herzliche Grüße zurück
J. BonkAn alle, die auf Antwort von Julia warten: Wir geben Grüße und Telefonnummern weiter, Julia braucht aber Zeit für ihre Behandlung und schätzt ein, welchen Input sie verkraften kann und was nicht, wie weit sie voll reagieren kann bzw. wo sie sich noch nicht stark genug fühlt. Bitte seid da nicht nachtragend. Danke für die vielen verständnisvollen Worte nach unserer Meldung im Netz und nochmals einen großen Dank an die deutsche Direkthilfe, ich habe den Eindruck, dass Vorstand und Mitarbeiter kompetent mit beiden Beinen in der Realität und im Netz stehen.
Mit freundlichen Grüßen Johannes Bonk”
In einer weiteren Nachricht heißt es:
Wir, die Eltern von Julia Bonk, danken allen die sich Sorgen um unsere Tochter machen. Bitte nehmt, nehmen Sie darauf Rücksicht, dass eine Erkrankung eine private Angelegenheit ist. Es gibt keinerlei restriktive oder politische Gründe die es rechtfertigen von einer Verschwörung zu sprechen. Die Nachfrage ist uns verständlich, auch dass gerade öffentliche Kontrolle zur funktionierenden Demokratie gehört, und wir finden, dass Eure, Ihre Aufmerksamkeit gelebte Demokratie ist.
Ich sehe keinen vernünftigen Grund dafür, an der Echtheit dieser Dokumente zu zweifeln. Ich habe auch keinen Anlass, über eine politische Verschwörung zu spekulieren. Eine solche erscheint mir sogar nach Lage der Dinge höchst unwahrscheinlich zu sein. An die Stelle meiner anfänglichen Skepsis gegenüber der Partei “Die Linke” ist große Ratlosigkeit getreten. Es ist wohl nicht so leicht, eine rationale Einstellung zur Psychiatrie zu gewinnen, auch wenn man sich darum bemüht.
Es war niemals meine Absicht, mich in die Privatangelegenheiten der Abgeordneten bzw. ihrer Familie zu mischen. Julia Bonk ist allerdings nicht nur eine Privatperson, sondern eine Abgeordnete des Sächsischen Landtags, und wenn der Verdacht entsteht, eine durch Immunität geschützte, demokratisch gewählte Person sei wider Willen hinter psychiatrische Gitter gesperrt worden, so darf, ja muss sich die Öffentlichkeit dafür interessieren, unabhängig von der Person der Betroffenen.
Dieser Verdacht entstand durch einen Bericht der Bildzeitung sowie durch weitere Artikel in Zeitungen. Selbst wenn es jemals sinnvoll gewesen sein sollte, zum Schutz ihrer Persönlichkeit die mutmaßlichen Probleme der Abgeordneten geheim zu halten, so waren derartige Versuche vom Augenblick dieser Veröffentlichungen an sicher kontraproduktiv.
Aus meiner Sicht ist die Geschichte eine Zwickmühle: Was auch immer man tut, es wird in der einen oder anderen Hinsicht falsch sein. Ich wünsche allen Betroffenen viel Kraft, um das durchzustehen.
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