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Mollath-Unterstützer – nützliche Idioten der Psychiatrie?

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Vorab: Mollath ist nicht psychisch krank. Niemand ist psychisch krank. Es gibt zweifellos Menschen, die sich seltsam verhalten und Merkwürdiges zu erleben bekunden; aber wenn es einen Beweis dafür gibt, dass es sich dabei um die Symptome einer Krankheit handelt, so können wir nicht von einer psychischen, sondern wir müssen dann von einer körperlichen, beispielsweise neurologischen Krankheit sprechen. Eine solche Krankheit wurde bei Mollath im Übrigen nicht diagnostiziert.

Es gibt auch keine objektivierbaren Anzeichen dafür, dass Mollath für andere gefährlicher ist als du oder ich. Die Behauptung, er sei psychisch krank und deswegen für andere gefährlich, war schon immer eine haltlose Unterstellung. Heute aber wäre es eine bodenlose Behauptung, denn dank des stattgegebenen Antrags auf Wiederaufnahme seines Verfahrens gilt für ihn ja wieder die Unschuldsvermutung, aber nicht mehr im Sinne der Schuldunfähigkeit, sondern in dem Sinne, dass bis auf Weiteres vorauszusetzen ist, dass er die ihm zur Last gelegten Taten gar nicht begangen hat.

Soviel vorab. Mollath-Unterstützer behaupten, dass schlechte psychiatrische Gutachten ihn in den Maßregelvollzug gebracht hätten. Damit dies nicht wieder vorkomme, fordern sie strengere Regeln für Gutachten und Gutachter, eine bessere Kontrolle dieses Gewerbes und was weiß ich nicht noch alles. Dies ist natürlich Unfug. Die Gutachten in der Causa Mollath sind “State of the Art”; sie sind Stand der “ärztlichen Kunst”. Es handelt sich dabei um eine willkürliche, subjektive Auswahl von Fakten und um deren Bewertung. Sie können auch nichts anderes sein, da die psychiatrische Wissenschaft keine objektiven Grundlagen für derartige Gutachten sie bieten vermag.

Es sind im Übrigen alle Gutachten in Sachen Mollath in diesem Sinne einwandfrei, auch jede, die für ihn plädieren. Es spricht keineswegs gegen ein Gutachten, wenn andere ihm widersprechen. Es gibt keinen guten Grund dafür zu fordern, dass alle Menschen die gleiche subjektive Sicht der Dinge haben und Sachverhalte gleichartig beurteilen sollen. Und die Übereinstimmung dieser Sichtweisen beweist auch nicht deren Wahrheit. Nein, in der Tat: Jedes einzelne dieser Gutachten ist für sich genommen eine Perle dieser Wissenschaft, gemessen an den Maßstäben, die an diese beim Stand der Dinge angelegt werden müssen.

Selbstverständlich saß Gustl Mollath nicht zu Recht im Maßregelvollzug, und er gehörte dort auch nicht wieder hin, selbst wenn er die ihm zur Last gelegten Taten tatsächlich begangen hätte. Doch dies steht auf einem anderen Blatt. Richter mögen Gutachter und Gutachten benutzen, um Leute für beliebige Zeit, unabhängig von der Schwere ihrer Tat, hinter Gitter zu bringen; dies bedeutet aber nicht, dass die entsprechenden Gutachten schlecht wären. Sie können natürlich schlecht sein, im Sinne von Rechtschreibefehlern oder einem unzulänglichen Stil. Schlecht im Sinne dessen, was man von ihnen erwarten kann, was relevant ist, sind sie jedenfalls nie und nimmer. Es handelt sich ja nicht um Deutschaufsätze, wo es auf Stil und Rechtschreibung ankäme. Vielmehr sind sie und können sie nur sein: eine subjektive Selektion und Bewertung von Fakten. Die kann eben so oder so ausfallen.

Unter diesen Bedingungen ist die Politik vieler Mollath-Unterstützer sehr kritisch zu sehen. Indem sie die Gutachten Leipzigers, Pfäfflins und Kröbers als schlecht beurteilen, suggerieren sie, dass es in einem substanziellen Sinne auch bessere, nämlich objektive und wissenschaftlich fundierte geben könnte. Wenn es nicht unschicklich für Krähen wäre, anderen ein Auge auszuhacken, dann würden viele, sehr viele Psychiater dieser Kritik beipflichten; manche tun dies auf hinter vorgehaltener Hand, wenngleich wenige sich offen dazu versteigen. Man kann ja auf diese Weise die grundsätzliche Kritik an der Psychiatrie, die überfällig ist, sehr leicht ins Persönliche abschieben und dann weitermachen, wie bisher. Das möchte viele, viel zu viele.

Gerade habe ich in Kröbers Gutachten geblättert und ich muss sagen: Wenn man einmal davon absieht, dass es sich de facto nicht auf den realen Gustl Mollath bezieht, sondern auf “Gustl Mollath”, dann ist es wirklich eine Lust, dieses Meisterwerk psychiatrischen Denkens zu lesen. Jeder Satz ein Volltreffer. Dies meine ich keineswegs ironisch. Wenn man von der Psychiatrie nichts Unmögliches erwartet, nämlich objektive Befunde, dann versteht man, warum dieser Mensch tonangebend ist in der forensischen Psychiatrie.

Die Mollath-Unterstützer nehmen den Fall ihres Helden akribisch auseinander und Tag für Tat kommen neue, teilweise haarsträubende Ungereimtheiten ans Licht. Doch wenn sich die Gutachten besser reimen würden, wären sie deswegen ja noch lange nicht wahr. Fakt ist, dass die Psychiatrie nicht zu belegen vermag, dass ihre Diagnosen und Prognosen valide sind. Und daher ist es auch Fakt, dass Menschen in den geschlossenen Bereichen dieser Zunft dort willkürlich festgehalten werden.

Es mag durchaus sein, dass der eine oder andere, der sich hinter psychiatrischen Gittern befindet, durchaus gefährlich ist. Doch man kann einfach nicht – je nach Schätzung – zwischen sechs bis sechzehn Menschen wegsperren, um eine schwere Gewalttat zu verhindern. Freiheit und Rechtsstaatlichkeit gibt es nicht gratis. Sie haben ihren Preis. Den müssen wir durch Abstriche an unserer Sicherheit bezahlen. Wir machen uns etwas vor, wenn wir glauben, die Psychiatrie könne die Spreu vom Weizen unterscheiden.

Sind Mollath-Unterstützer also nützliche Idioten der Psychiatrie? Sie laufen Gefahr, es zu werden, wenn sie uns vorgaukeln, dass an dieser Situation kurzfristig grundsätzlich etwas zu verbessern sei. An dieser Situation könnte sich allenfalls etwas ändern, wenn die Forschung einen physiologischen Mechanismus psychogener Gewalt entdecken würde, den man zuverlässig diagnostizieren könnte. Damit ist erstens, auch mittelfristig, nicht zu denken und zweitens ist es fraglich, ob es einen solchen Mechanismus überhaupt gibt.

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